Ärmel hochkrempeln - was steht an?

Christiane Carstensen • März 25, 2022

Aktuelle Infos rund um DaZ für Sprachkursträger und Lehrkräfte in Integrationskursen und Berufssprachkursen

 Mit den aktuellen Trägerrundschreiben läuft die Pandemiezulage als Teil der finanziellen Absicherung der Kurse unter der Pandemie aus. Auch wenn es Übergangslösungen für den Teil der mit weniger als 15 TN besetzten laufenden Kurse gibt, werden uns Orga, Gesundheitsschutz und Finanzierung weiterhin vor enorme Herausforderungen stellen - zumal die Inzidenzen nicht für die Planung finanzierter, gleichzeitig aber voller und enger Kurse sprechen. Gleichzeitig laufen die Vorbereitungen für die Integrationskurse und andere Sprachförderangebote für ukrainische Geflüchtete auf Hochtouren an. Aktuell lassen sich noch nicht alle Anforderungen überblicken, aber einige kristallisieren sich bereits heraus.

Wir verlieren zunehmend Fachkräfte und die ersten Träger melden einen Fachkräftemangel an. Wie in allen Branchen macht sich auch bei uns die Alterspyramide bemerkbar und es gehen zunehmend Kolleg*innen in Rente. Verschärft wird die Situation dadurch, dass nicht zuletzt die Pandemie und die ZQ BSK die prekären Arbeitsbedingungen und die Vulnerabilität von Honorarkräften noch einmal deutlich verstärkt haben. Vor allem freiberuflich tätige Kolleg*innen haben sich in den vergangenen zwei Jahren gesicherte Beschäftigungsverhältnisse außerhalb der BAMF-Kurse gesucht und wie auch 2015/16 konkurrieren wir wieder mit Schule und Frühförderung um Fachkräfte, die unter dem Druck der ukrainische Geflüchteten deutlich gesichertere Beschäftigungsverhältnisse für DaZler zur Verfügung stellen. Die aktuellen Förderbedingungen des Bundes für Integrations- und Berufssprachkurse lassen eine hohe und vor allem tarifgebundene Beschäftigungsquote nicht zu. Hier braucht es ein Umdenken der Politik vom Projektgedanken weg hin zum Bildungsbereich. Fachkräfte in der Bildung müssen tarifgerechte Beschäftigungsangebote bekommen und Träger müssen das finanzieren können.

Die hohe Zahl an Müttern, die alleinstehend mit ihren Kindern aus der Ukraine geflüchtet sind, führt zu einem hohen Bedarf an Integrationskursen und Sprachförderangeboten mit Kinderbetreuung. Zwar gibt es ein Sonderprogramm Integrationskurse mit Kinderbetreuung, in dem Sprachkursträger von der dafür eingerichteten Servicestelle ausgezeichnet beraten und betreut werden. Doch die hohe Qualität der Beratung macht den Mangel an Förderung nicht wett. Finanziert werden vom Bund lediglich die Personalkosten für die Kinderbetreuung. Die Kosten für Raummiete, Inventar und vor allem den hohen Koordinationsaufwand müssen die Träger aus eigener Tasche finanzieren. Das führt in Zeiten einer ohnehin hohen Überarbeitung der Kurskoordinator*innen und bereits vor einer Pandemie klammen Kursfinanzierung nicht dazu, dass die Zahl der Kurse mit Kinderbetreuung in die Höhe schießt. Wer wie wir den finanziellen und organisatorischen Aufwand einiger Fachbereichsleitungen und ihre unzähligen Besprechungen mit Jugendämtern begleitet, ahnt, dass dieses Programm nicht die besten Voraussetzungen mitbringt, den Bedarf an Kinderbetreuung auch nur minimal zu decken.

Der Bedarf an Integrationskursen wird steigen. Dem gegenüber stehen die Kolleg*innen bei den Trägern, die die Planung, Koordination und Administration der Kurse koordinieren und verantworten und nur begrenzte Ressourcen dafür haben. Der Koordinationsaufwand pro Kurs ist mit den Jahren gestiegen, ohne dass sich das in der Kursfinanzierung niedergeschlagen hätte. Insofern kann eine Fachbereichsleitung nur eine begrenzte Zahl an Kursen begleiten. Auch persönlich profitieren sie als Festangestellte nicht von der Erhöhung des Mindesthonorars. Im Gegenteil, die aktuelle Kursfinanzierung führt dazu, dass immer mehr Stellen sich im Mindesthonorar bewegen. Die real gesunkene Kursfinanzierung führt zudem dazu, dass Personalstunden nicht erweitert, sondern gekürzt werden, so dass sich die ohnehin hohe Arbeitsbelastung noch einmal auf einige Wenige verdichtet.
Viele Träger könnten zwar aufgrund des Bedarfs kurzfristig ihr Angebot an Integrationskursen erhöhen, allerdings wird die Kapazität zwangsläufig  aufgrund der begrenzten Ressourcen in der Kurskoordination begrenzt. Viele Träger kritisieren zudem die oft als willkürlich beurteilte Abrechnungspraxis des Bundes, der Finanzierungen nicht planbar macht und Träger nicht animiert, die Personaldecke in der Kursverwaltung aufzustocken. Wenn wir dem sich abzeichnenden Bedarf gerecht werden wollen, muss der Bund die Arbeit und Funktion der Kurskoordinator*innen unterstützen und entlasten: durch Overhead-Pauschalen, die eine tarifgerechte Eingruppierung ermöglichen, durch besseren Support im IK- bzw BSK-Programm sowie einen beherzten Bürokratieabbau.

Unser Arbeitsbereich wird immer dynamischer und interdisziplinärer. Lehrkräfte und Kurskoordonator*innen in Integrations- und Berufssprachkursen sind weit mehr als nur DaZ-Fachkräfte und die aktuellen Entwicklungen in einer globalisierten und digitalisierten Welt fordern ihre digitale, kommunikative, traumasensible, diversitätssensible, organisationale Expertise, um nur einige der Anforderungen zu nennen. Die Programmstruktur und Finanzierung der Integrations- und Berufssprachkurse bilden weder ein tarifgebundes Gehalt, noch adäquate Fortbildungsstrukturen noch die Einbindung in kollegiale Fachgemeinschaften ab.

Integrationskurse im ländlichen Raum
In ihrer Studie Deutsch lernen auf dem Land für die Friedrich-Ebert-Stiftung haben Hanne Schneider und Jana Scheible Expert*innen zu Herausforderungen und Lösungsansätzen der Deutschsprachförderung in ländlichen Regionen befragt. Sie haben dabei vielfältige Gelingensfaktoren und Hemmnisse benannt und weisen insbesondere auf die Verkettung der verschiedenen Faktoren hin. Viele der Handlungsempfehlungen kann man auch auf andere Regionen übertragen, sind aber für den ländlichen Raum existenziell:
  •     kleinere Gruppen finanzieren
  •     flexiblere Kursgestaltung ermöglichen
  •     Bedingungen für Lehrkräfte in ländlichen Räumen verbessern
  •     Potenziale digitaler Formate nutzen, insbesondere für Berufstätige
  •     mehr Angebote für informellen Sprachaustausch komplementär fördern
  •     Kinderbetreuung in Kursortnähe als Regelfall mitdenken
  •     kursbegleitende Kinderbetreuung mit Kommunen weiterentwickeln
  •     bundesgeförderte Sprachprogramme harmonisieren
  •     lokales Erfahrungswissen und Good Practices stärker einbeziehen
  •     Koordinierungsstellen als wichtigen Teil der Kurssysteme langfristig fördern
  •     Erreichbarkeit vor Ort bei der Sprachkoordination mitdenken
  •     Mobilitätsprobleme durch digitale Angebote minimieren
  •     Fahrtkostenerstattung erleichtern
  •     De-facto-Regelfälle statt Härtefälle anerkennen

Der Reformbedarf wäre noch um viele Punkte erweiterbar. Dass "der Laden läuft", hat viel damit zu tun, das wir uns im Laufe der Jahre daran gewöhnt haben, in Verantwortung für unseren Arbeitsauftrag und damit für unsere Teilnehmenden, über unsere persönlichen und finanziellen Belastungsgrenzen hinaus zu gehen. Das darf es aber nicht sein.
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