Die Zuständigkeit des BAMF als nachgeordneter Behörde des BMI steht in erster Linie als Akteur für Sicherheits- und Ordnungspolitik. Spracherwerb und Sprachpolitik für erwachsene Migrant*innen sind institutionell stark durch den Bund geregelt und Kommunen, die über eine hohe Kompetenz und Flexibilität im Bereich Integration verfügen, können sich daran durch die Bundesgesetzgebung oft schlecht andocken. Dies ist ineffektiv, führt zu Synergieverlusten und lässt wenig Raum für Vielfalt und Veränderung.
Gerade kommunale Strukturen und Netzwerke entfalten eine besondere Wirksamkeit im Bereich der Integration. Durch die Konzeption einer Bundesbehörde, die hierarchisch und stark abgegrenzt von anderen staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen im Bereich der Sprachförderung agiert, können Ressourcen und Entwicklungslinien, die sich im kommunalen Raum ergeben, oft nicht aufgenommen werden. Der Gesetzgeber hat es versäumt, das BAMF durch die Integrationskursgesetzgebung im kommunalen Bereich mit Partnern vor Ort zu einer Kooperation auf Augenhöhe zu bewegen.
Die Verwaltungswissenschaftler Jörg Bogumil und Sabine Kuhlmann und der Verfassungsrechtler Martin Burgi haben 2017 in einer Studie für die Mercator Stiftung das Verwaltungshandelns des BAMF als ineffizient und dem Gedanken der Integration als abträglich beurteilt. In der Studie „
Bessere Verwaltung in der Migrations- und Integrationspolitik – eine Aufgabe für Bund, Länder und Kommunen“ fordern sie, dass die Länder und Kommunen zukünftig mehr Aufgaben im Integrationsbereich übernehmen sollten, insbesondere bei der Durchführung der Integrationskurse und berufsbezogenen Sprachförderung. Die Entwicklung der Grundstruktur, der Lerninhalte und die Finanzierung der Sprachkurse sollte weiterhin vom BAMF verantwortet werden.
Eine Einbindung der kommunalen Ebene bedeutet nicht automatisch eine Verbesserung. Auch hier besteht die Gefahr einer Ausschreibungspolitik, die Sprachförderung finanziell und inhaltlich auszehrt und ihrer Autonomie beraubt. Die Anbindung von Sprachförderung an Qualitätsstandards und deren Überwachung und Weiterentwicklung sind sicherlich ebenso keine Aufgaben, die kommunal gestemmt werden können.
Einen aktuellen Vorstoß haben die Länder Bremen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen mit einem Antrag im Bundesrat unternommen. Am 11.10.2019 wurde in der 981.Sitzung des Bundesrates eine Entschließung
„Deutschkurse für Migrantinnen und Migranten erneuern“
zur Abstimmung vorgelegt. Der Entschließung wurde zugestimmt. Im Protokoll der Sitzung ist der Vorgang unter Tagesordnungspunkt 14 einsehbar, unter Drucksache
433/19
kann die Weiterbearbeitung im öffentlich zugänglichen Dokumentationssystem des Deutschen Bundestages nachverfolgt werden.
Im Wesentlichen erheben die Länder folgende Forderungen hinsichtlich einer grundsätzlichen Neugestaltung der Integrationskurse
• Schneller und unbürokratischer Zugang für alle
• Verzahnung der Angebote von Bund, Ländern und Kommunen
• Geringere Mindestteilnehmerzahl
• mehr Differenzierungsmöglichkeiten für heterogene Zielgruppen
• Flexibilisierung und Modularisierung der Kurse
• flankierende digitale Angebote
• Erhöhung der Stundenzahl in Orientierungskursen
• Stärkere Dokumentation von Fehlzeiten
• Sanktionen bei unentschuldigtem Fehlen
• Einführung von verbindlichen Zwischentests
• Einführung von Feedback-Gesprächen
Einige Punkte wie die Reduzierung der Mindestteilnehmerzahl und und ein schneller und unbürokratischer Zugang für alle sind ein Schritt in die richtige Richtung. Andere Punkte irritieren und scheinen nicht gut mit Akteuren aus der Praxis abgestimmt zu sein. Eine noch stärkere Ausdifferenzierung der Kurse würde dazu führen, dass gerade im ländlichen Raum Teilnehmer noch länger auf Kurse warten müssten als jetzt bereits. Eine Lösung wäre es eher, Kurse an den Start zu bekommen und dann über Teamteaching etc auszudifferenzieren.
Enttäuschend ist die Konzentration in der Qualitätssicherung auf die stärkere Dokumentation von Fehlzeiten und nachfolgende Sanktionen durch die Leistungsträger. Diese Dokumentationspflicht besteht bereits, aber da sie nicht durch vorherige Maßnahmen in einer Prozesskette steht, in der unentschuldigten Abwesenheiten vorgebeugt wird, ist sie letztendlich relativ wirkungslos. Wir brauchen in den Kursen sozialpädagogische Begleitung, die beratend und begleitend nah an den Lerner*innen tätig ist und so unentschuldigtem Fehlen vorgreift.
Auch andere Punkte wie die Erhöhung der Stundenzahl in Orientierungskursen müssten diskutiert werden. Am 01.08.2016 wurden die Stunden bereits von 60 auf 100 Unterrichtseinheiten erhöht. Dies allein hat nicht zu einem qualitativen Mehrwert geführt.
Feedback-Gespräche müssen nicht verordnet werden, denn sie gehören zu einem guten Unterricht seit jeher dazu. Aber wir brauchen Rahmenbedingungen, in denen Träger und Lehrkräfte personelle und finanzielle Ressourcen dafür bekommen. Aktuell verdrängt eine adminsitrative Überregulation sämtliche Kapazitäten der Träger, die sie dringend für die Arbeit mit den Teilnehmenden benötigen.
Eine Verzahnung der Sprachförderung des Bundes mit kommunaler und föderaler Infrastruktur sollte deutlich stärker als Ressource genutzt werden. Allerdings sollte man, bevor man in Reformen geht, genau analysieren, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Ebenen bzw Akteure liegen. Die vorliegenden Konzepte sind noch nicht überzeugend.